11.05.2023 | Protestnote des bbk berlin: „Station to Station“ – Von Skandal zu Skandal

Pressemitteilung des bbk berlin

Anders als skandalös kann das Projekt „Station to Station“ und die Äußerung der Deutschen Bahn auf Nachfrage der Presse dazu nicht gewertet werden:
„Aufgrund der Einmaligkeit und Urheberschaft der Idee entfiel für die künstlerische Besetzung (Musik und Bildende Kunst) ein Wettbewerb um das beste Konzept in Form einer Ausschreibung.“

Am 04.12.2020 beschloss der Deutsche Bundestag unter dem Titel 891 09 eine „Förderinitiative zur Attraktivitätssteigerung und Barrierefreiheit von Bahnhöfen: „Ausgaben und Verpflichtungs-ermächtigungen in Höhe von 5 000 T€ für das Programm „station to station“ sowie im Umfang von 1 600 T€ für die nächste Planungsstufe Masterplan“ zu finanzieren, „Um Konjunkturimpulse setzen zu können,…“

Auf Initiative des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr realisiert die Deutsche Bahn in Zusammenarbeit mit dem Bonner Verein „Stiftung für Kunst und Kultur“ und dessen Vorsitzenden Walter Smerling als Kurator für den Projektbereich Bildende Kunst die Veranstaltungsreihe „Station to Station“. Im Pressetext zur Einweihung der Reihe mit der Skulptur „Vertical Highways“ von Bettina Pousttchi am Berliner Hauptbahnhof wird betont, dass es „Ziel der Kunst- und Konzertreihe ist, Bahnhöfe und ihr Umfeld attraktiver zu machen und mit Kunst und Kultur mehr Menschen für die Bahn zu gewinnen.“ Die Künstler*innen in Berlin kommen aus dem Staunen nicht heraus: Wieder zieht Walter Smerling zusammen mit Politiker*innen und Wirtschaftsunternehmen Projekte durch, finanziert rein aus öffentlichen Geldern, ohne demokratische Abstimmungsprozesse, als hätte es den Skandal um die „Kunsthalle Berlin“ 2022 gar nicht gegeben.

Weder die Deutsche Bahn noch die Politiker*innen in Bundestag und Ministerien konnten oder wollten sich zu den Auswahl- und Vergabeentscheidungen hinreichend äußern. Auf wessen Initiative entstand die „Förderinitiative zur Attraktivitätssteigerung und Barrierefreiheit“? Und was hat „Station to Station“ mit Barrierefreiheit zu tun? Wer hat das Konzept entwickelt? Wo wurde es publiziert? Alles bleibt vollkommen intransparent. Stattdessen verweist die DB auf die Einmaligkeit der künstlerischen Idee, die eine Ausschreibung überflüssig machte.

Walter Smerling wandelte jedoch einfach „sein Projekt der Okkupation des Stadtraums durch den privaten Geschmack“ (Patrick Bahners, FAZ), das unter dem Namen „Kunstprojekt Bonn“ gegen den Protest vom Fachpublikum und Künstler*innen bereits seit 2014 dem öffentlichen Raum von Bonn aufgedrängt wird, ganz leicht ab: nun bundesweit. Sogar die Aufstelldauer der Skulpturen ist gleich: 10 Jahre. So viel zur „Einmaligkeit der Idee“. Üppige öffentliche Mittel werden zur Wertsteigerung von Künstler*innen aus dem Dunstkreis von Smerling eingesetzt, bewährte Richtlinien und Maßstäbe zu demokratischen und fairen Entscheidungsprozessen bei Kunst im öffentlichen Raum werden unterlaufen. Smerlings Kontakte zur Bundesregierung sowie das dort offenbar breite Unverständnis an demokratischen Auswahlentscheidungen, die Qualität und Fairness in der Kunstförderung sichern, ermöglichen dies. Der Verdacht steht im Raum, dass Marktstrategien des Kunsthandels vertreten werden und wieder einmal öffentliche Mittel direkt in Galerien abfließen wie schon bei NEUSTART KULTUR. Die Finanzierung von „Station to Station“ wurde ebenfalls im Pandemiejahr Dezember 2020 beschlossen.

In Berlin hat der „Auftakt zu einer Reihe von künstlerischen Interventionen an Bahnhöfen bundesweit“ eine Vorgeschichte mit besonderem Nachgeschmack, die über die Person Walter Smerling und dem Kunsthallenskandal in der Stadt noch weit zurückreicht. Wir erinnern an die Auseinandersetzung um die Skulptur „Rolling Horse“ von Jürgen Goertz, die Hartmut Mehdorn als damaliger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn 2007 am Berliner Hauptbahnhof aufstellen ließ. Der bbk berlin kritisierte damals mit großem Presseecho die fehlende Transparenz und Qualitätssicherung in der Auswahl der Kunst am Bau und konnte 2009 mit dem Nachfolger Mehdorns, Dr. Rüdiger Grube, der bis 2017 Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn war, erreichen, dass künftige künstlerische Vorhaben „ausschließlich im Wettbewerbsverfahren“ vergeben werden sollten. Daran sehen sich wohl die heutigen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn nicht mehr gebunden.

Die Projekte im Rahmen von „Station to Station“ sind schon längst transparenz- und demokratiefrei durchgeplant – am Bahnhof Frankfurter-Flughafen mit Andreas Schmitten noch 2023 und am Duisburger Hauptbahnhof voraussichtlich mit dem Künstler Emil Walde in 2024.

Der bbk berlin fordert:

  • die Einhaltung der Verpflichtung von Dr. Rüdiger Grube, künstlerische und mit Steuergeldern finanzierte Projekte im öffentlichen Raum und bei Kunst am Bau ausnahmslos in offenen Ausschreibungen durch Wettbewerbsverfahren zu realisieren.
  • alle weiteren von Walter Smerling und seinem Verein veranlassten Beauftragungen sofort zu stoppen und in offene, fachlich qualifizierte und transparente Wettbewerbsverfahren zu überführen, die künstlerische Leitung sowie die beteiligten Künstler*innen betreffend.
  • den Bundesrechnungshof auf, sämtliche Vergaben öffentlicher Steuermittel im Rahmen des Projekts „Station to Station“, Bundestags Beschluss Titel 891 09, zu überprüfen und im Detail öffentlich zu machen.

 

Frauke Boggasch und Zoë Claire Miller
Sprecherinnen bbk berlin

presse@bbk-berlin.de

 

Anlage:
12. Mai 2009, Schreiben von Dr. Rüdiger Grube Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bahn an Herbert Mondry, Vorstandsvorsitzender des bbk berlin