02.10.2024 | PRESSEMITTEILUNG: Yes, we care! Künstlerinnen* zwischen Sorgearbeit und Kunstschaffen
Parlamentarisches Frühstück, 27.09.2024
fair share! im Hamburger Bahnhof,
Nationalgalerie der Gegenwart Berlin
Künstlerinnen* erringen Meilenstein!
Berlin, 30. September 2024. fair share! Sichtbarkeit für Künstlerinnen feiert einen Erfolg beim Parlamentarischen Frühstück am vergangenen Freitag im Hamburger Bahnhof. Rednerinnen* der Berliner Initiative und ihrer Bündnispartnerinnen* aus München, Freiburg und Hamburg erfahren großen Zuspruch von geladenen Politikerinnen* und Kulturverantwortlichen aus Ausstellungshäusern und Verbänden. fair share! erhält erste Interessensbekundungen hinsichtlich der Einführung von Wiedereinstiegsstipendien für Künstlerinnen* mit Sorgeverpflichtung auf Bundesebene.
Künstlerinnen*, die Kinder bekommen oder Angehörige pflegen, weisen Lücken und eine geringere Ausstellungsdichte in ihrer Arbeitsbiographie auf. Sie haben seltener Residenzstipendien besucht, da sie weniger mobil sind. Sie haben oftmals weniger Ausstellungen gemacht und weniger Preise erhalten, da sie sich viele Jahre lang um ihre Kinder oder Angehörige kümmern. In dieser Zeit können sie weniger Netzwerkarbeit leisten, weil die relevanten Termine (Eröffnungen) zu familienfreundlichen Zeiten stattfinden.
Wiedereinstiegsstipendium für Bildende Künstlerinnen* nach Sorgeverpflichtung
„Dadurch folgt eins auf das andere: Wird man weniger gesehen, wird man seltener zur nächsten Ausstellung eingeladen, bekommt man weniger Förderzuschläge, kann man wieder weniger Arbeiten produzieren“, berichtet Gabi Blum, K&K – Bündnis Kunst und Kind München. „Das heißt aber nicht, dass die Qualität der Arbeiten von Künstlerinnen mit Kindern schlechter ist als die der männlichen Kollegen oder die von Kolleg*innen ohne Kinder. Zudem findet teilweise sogar eine Tabuisierung von Mutterschaft statt: “Künstlerinnen mit Kindern werden von Ausstellungen und Stipendien wieder ausgeladen, wenn herauskommt, dass sie Kinder haben oder sie gerade schwanger sind.“
Daher fordern die Aktivistinnen* die Einführung von bundesweiten Wiedereinstiegsstipendien für Künstlerinnen* mit Care-Aufgaben. Sie schlagen vor, dass beispielsweise die Stiftung Kunstfonds jährlich 10 Stipendien dotiert mit monatlich 3000 Euro und mindestens 12 Monaten Laufzeit vergibt, mit abschließender Ausstellung und Publikation zur Erhöhung der Sichtbarkeit der Stipendiatinnen*.
Caring Culture Lab
Kompetenzzentrum für mehr Geschlechtergerechtigkeit im Kultursektor
„In den Künsten, die sich oft als avantgardistisch und progressiv verstehen, treten Geschlechterungerechtigkeiten verstärkt auf“, sagt Dr. Sascia Bailer vom Caring Culture Lab, Freiburg, und untermauert dies mit Zahlen. Der Gender Pay Gap beträgt im Kultur- und Mediensektor ca. 30%, bundesweit liegt er bei 18%. Während 42% der Eltern bundesweit Diskriminierung aufgrund ihrer Sorgeverantwortung erfahren, sind es im Kunstfeld 92%, da ihre Bedürfnisse in der Förderlandschaft selten berücksichtigt werden. Besonders betroffen sind kunstschaffende Mütter, denn unbezahlte Sorgearbeit wird primär weiterhin von Frauen erledigt. „Sorgearbeit muss somit als ein zentrales Hindernis für Geschlechtergerechtigkeit und Teilhabe im Kunst-, Kultur- und Mediensektor anerkannt werden“, so die Wissenschaftlerin. Das Caring Culture Lab soll künftig helfen, Kulturinstitutionen und Förderungen familienfreundlicher zu gestalten und mehr Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen.
Grundrente für Künstler*innen
In Berlin sind in diesem Jahr 43.215 Personen über die Künstlersozialkasse (KSK) pflichtversichert, darunter 14.836 in der Fachgruppe Bildende Kunst/Design. Mehr als die Hälfte der Personen in dieser Fachgruppe sind freiberuflich tätige professionelle Bildende Künstler*innen. „Den meisten droht Altersarmut insbesondere, wenn sie aufgrund von Care-Arbeit keine kontinuierliche Erwerbsbiografie nachweisen können“, sagt Frauke Boggasch, Sprecherin bbk berlin. In der aktuellen Gesetzesregelung werden Künstlerinnen* von der Teilhabe an der Grundrente größtenteils ausgeschlossen, da laut KSK das durchschnittliche Jahreseinkommen im Bereich Bildender Kunst zumeist unter den erforderlichen 30% des durchschnittlichen Jahreseinkommens – 2024 somit unter 13.000 € aus künstlerischer Tätigkeit – liegt und ein über Jahrzehnte nachzuweisendes kontinuierliches Jahreseinkommen – vergleichbar mit Arbeitnehmerinnen* oder Angestellten – in allen künstlerischen Sparten nicht der Realität entspricht.
Pressekontakt: Alice Münch: 0176 60 855 135 / Conny Becker: 0177 266 69 23
kunst+care ist ein Projekt von fair share! Sichtbarkeit für Künstlerinnen mit Ines Doleschal, Ellen Louise Weise, Delia Keller und Alice Münch; unterstützt von Conny Becker, Beatrice Miersch, Karin Meyer, Annamaria Kardos u.a.
Unsere Netzwerkpartnerinnen*: Marcia Breuer, Mehr Mütter für die Kunst., Hamburg; Gabi Blum
und Anna Schölß, K&K – Bündnis Kunst und Kind München; Dr. Sascia Bailer, Caring Culture Lab, Freiburg;
Frauke Boggasch und Ute Weiss Leder, bbk berlin; Teresa Monfared, Bühnenmütter*
Unser Dank gilt Till Fellrath und dem Team des Hamburger Bahnhof für die großzügige Unterstützung!
fair share! Sichtbarkeit für Künstlerinnen e.V. | Köthener Str. 44, 10963 Berlin
www.fairshareforwomenartists.de | care@fairshareforwomenartists.de
fair share! Sichtbarkeit für Künstlerinnen e.V.
wird gefördert durch die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt