06.02.2022 | Pressemitteilung des bbk berlin: Nur ein Symptom - Zum Skandal um die sogenannte Kunsthalle Berlin

Die Unter-der-Hand-Vergabe großer Flächen des Flughafens Tempelhof an einen umstrittenen Kunstunternehmer mit kommerziellen Zielen ist an sich ein Skandal, der aufgeklärt werden muss. Dass der Öffentlichkeit dazu noch verschwiegen wurde, dass die sogenannte Kunsthalle Berlin vom Land Berlin auch noch in erheblichem Umfang mit Geld subventioniert wird, macht den Skandal noch größer. Die FAZ berichtet am 5. Februar von 100.000 Euro Betriebskostenübernahme im Monat durch das Land Berlin. Das sind in 2 Jahren 2,4 Mio. Euro – das Doppelte dessen, was der Landeshaushalt für Kunstankäufe sämtlicher Kunstinstitutionen des Landes vorsieht.

Wusste die Berliner Kulturverwaltung wirklich nichts davon, dass Smerlings Projekt unter "Kunsthalle Berlin" firmieren würde? Wer genau hat wann was mit wem besprochen? Welche Verträge, welche Absprachen gab und gibt es? Das muss offengelegt werden! Entweder zahlt der private Verein Nebenkosten, Miete und alles was dazu gehört oder die Nutzung muss sobald als möglich beendet werden.

Wie so oft: Das Land Berlin verspricht - wie für die Entwicklung des Flughafenkomplexes in Tempelhof – Transparenz, Partizipation, Bürgerbeteiligung und ähnliches mehr, um dann das Gegenteil zu tun. Das gilt gerade für Vorhaben mit kultureller Schwerpunktsetzung. Beispiele sind die Alte Münze oder die aktuell laufende dysfunktionale Verstaatlichung der Aufgaben gemeinnütziger Freier Träger und Akteur*innen aus der künstlerischen Praxis – im Besonderen in Betrieb und Entwicklung von Standorten künstlerischer Produktion.

Berlin versagt regelmäßig dort, wo es darum geht, dem enormen Sachverstand und Engagement der Berliner Zivilgesellschaft zu vertrauen, sinnvoll zu nutzen und damit auch Handeln wirklich transparent zu machen.

Das geht so nicht weiter.

Für Tempelhof heißt das: In den Aufsichtsrat der Tempelhof Projekt GmbH gehören ab sofort mehrheitlich kompetente und engagierte Menschen aus den Arbeitsbereichen der Kultur und Stadtentwicklung. Davon gibt es in Berlin mehr als genug. Uns fallen Beispiele ein: fragt Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer Berlin, die sich für kollaborative Stadtpolitik engagiert, fragt den Experten für nachhaltige Stadtentwicklung Dr. Martin Schwegmann, Atelierbeauftragter für Berlin, fragt die ehemalige Vorsitzende des Kulturausschusses im Abgeordnetenhaus, Sabine Bangert, fragt die Architektengruppe raumlabor berlin, die viele spannende Projekte im Schnittfeld von Architektur und Kunst verwirklicht haben. Fragt unabhängige Experten, die etwas vom Umgang mit alter Bausubstanz verstehen und die nicht durch aktuelle Mandate für parteipolitische Interessenkonflikte anfällig sind.

Geschieht das nicht, bleibt der aktuelle Skandal nicht der letzte.

Müssen marode Schulen repariert werden, muss diese Leistung nach klaren Regeln und ganz zurecht öffentlich ausgeschrieben werden. Geht es aber um kulturelle Nutzungen und Leistungen, ist die "freihändige Vergabe" in Beziehungsnetzwerken leider nicht die Ausnahme. Für Tempelhof und vergleichbare Nutzungskonzepte heißt das: ab sofort transparente Regeln für die Vergabe von Flächen mit öffentlich vorgeschalteten Ausschreibungen.

Zuletzt: Der Flugbetrieb in Tempelhof ist seit 2008 eingestellt. Sieht man davon ab, dass eine zügige Nachnutzung großer Flächen dort für die Berliner Polizei offenbar kein Problem ist – anders als für kulturelle Nutzungen – müsste das Land mit der Sanierung und Nachnutzung von Flächen nicht längst weiter sein? Auch im ICC fand 2013 die letzte reguläre Veranstaltung statt – mal abgesehen von dem 10-Tage Event im vergangenen Oktober. Seitdem steht es leer. Mit den enormen finanziellen Aufwänden für diese Leerstände hätte Berlin hier wie dort eine echte Kunsthalle entwickeln und betreiben – und auch noch gegen den Ateliernotstand wirken können.

Werden hier bewusst Entscheidungen verschleppt, um Profitinteressen Vorschub zu leisten? Jahrelanger Leerstand und der damit einhergehende Verfall von Gebäuden in der öffentlichen Hand werden mit dem Argument "gemeinwohlorientierte Nutzungen sind leider nicht mehr finanzierbar" preisgegeben.

Deshalb: Nehmt solche Vorhaben aus der Alleinverantwortung der Senatsverwaltungen, vertraut sie vor allem der Kompetenz und dem Engagement der Berliner Stadtgesellschaft an. Auch internationale Expert*innen und Institutionen sollten herangezogen werden.

Ein Weiter-so akzeptieren wir nicht. Es müssen jetzt verpflichtende Strukturen, die einer parlamentarischen und zivilgesellschaftlichen Kontrolle unterliegen, geschaffen werden, die Hinterzimmerdeals ausschließen. Nur so kann Vertrauen in die Landespolitik neu aufgebaut werden und gemeinsam mit uns und den Kurator*innen der Berliner Ausstellungshäuser und -initiativen ein Konzept für eine Nutzung von Flächen des Flughafens Tempelhof entwickelt werden, das den Namen "Kunsthalle Berlin" verdient.

 

Zoë Claire Miller und Heidi Sill
Sprecherinnen des bbk berlin