06.09.2024 | Kultur ist kein Luxus und kein Privatvergnügen. In Berlin wird der Freien Szene die Luft zum Atmen genommen!

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Sehr geehrter Herr Chialo, 
sehr geehrte Frau Wedl-Wilson, 

seit über 12 Jahren treten wir als Koalition der Freien Szene für die Interessen und Bedürfnisse der über 40.000 Künstler:innen in Berlin ein. Wir konnten strukturelle Missstände aufzeigen, Wesentliches (mit)gestalten und die berufliche Situation vieler Akteur:innen der Freien Szene verbessern. Gerade der Fokus auf die Erhaltung und Verbesserung der Bedingungen von Produktion und Präsentation konnte maßgeblich professionalisiert werden: Genannt sei stellvertretend das Raumbüro, die Spartenoffene Förderung, die Arbeitsstipendien. Und auch die Alte Münze wird als landeseigene Immobilie weiterhin als ein Ort der Freien Szene und nicht der privaten Wertschöpfungskette in der politischen Diskussion gehalten.

Kurzum: Der Stellenwert der Freien Szene - als ein wichtiger Baustein der Berliner Kultur - schien als Teil des stadtgesellschaftlichen Gefüges politisch verstanden und verantwortungsvoll behandelt zu werden.

Doch nun blicken wir mit großer Sorge auf den aktuellen wie die kommenden Haushalte, die nach einem unverantwortlichen und Existenzen bedrohenden Gießkannen-Prinzip mit den PMiA große Einsparungen und Einschränkungen für die Freie Szene bedeuten würden. Berlin droht seine Anziehungskraft als kulturelle Weltstadt zu verlieren. Hinzu kommen geplante gravierende Kürzungen im Bundeshaushalt; die hart erarbeiteten Arbeitsbedingungen werden sich also deutlich verschlechtern, der Erhalt wichtiger Strukturen steht an vielen Stellen in Frage. Freie Kunst und Kultur sind - ebenso wie Bildung, Forschung und Soziales - keine Industrie, sondern wichtige Pfeiler und Bausteine einer diversen, demokratischen Gesellschaft.

Unsere Räume sind die wesentlichen Räume in der Stadt für Experimente, die Entwicklung von Projekten und Anker eines demokratischen, dialogorientierten Zusammenlebens. Der Austausch von künstlerischen Arbeitsweisen und der Diskurs im Allgemeinen stellen wichtige Anschlüsse der Vermittlung dar, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt. Die Freie Szene in Berlin und ihre Akteur:innen stehen für die vielen frei gewachsenen und in den letzten Jahrzehnten entwickelten Strukturen, die nun einfach gekürzt werden sollen? 

Nein!

Es darf keine Einsparungen in der ohnehin schon sehr fragilen Freien Szene geben. Was wir brauchen, ist nicht nur die Etablierung der geschaffenen Instrumente, sondern ihren Ausbau und ihre Erweiterung.

Auch „keine Aufwüchse“ oder teilweise Streichungen der Aufwüchse in den vorhandenen Strukturen ist folgenschwer und bedeutet, die zukünftige Arbeit massiv zu behindern oder zu zerstören. Es ist unmöglich, einen Wirtschaftsplan zu entwickeln und umzusetzen, geschweige ein künstlerisches Programm ambitioniert und professionell zu halten oder auszubauen, wenn Zusagen revidiert und Programme ausgehungert werden! Der massive Anstieg bei den Antragszahlen bei gleichbleibenden Fördersummen ist nicht weiter händelbar und zeigt doch, wieviel Potential in Berlin vorhanden ist und welche Schätze nicht gehoben werden können.

Das Einfrieren von Honoraren oder auch Kürzungen der Mindesthonorare gleicht der Rolle rückwärts und ist ein Schlag in das Gesicht der vielen oft ohne Honorar Arbeitenden oder prekär arbeitenden Künstler:innen und Kulturarbeitenden. Wir solidarisieren uns mit allen von Kürzungen betroffenen Künstler:innen und ihren Einrichtungen.

Wir sehen uns solidarisch mit den vielen freien Kulturstätten in Berlin, institutionell gefördert oder nicht, in denen die Künstler:innen der Freien Szene das Programm aktiv mitgestalten, und die aktuell mit einer Null-Euro-Klammer vom Bundeshaushalt überrascht wurden. Deshalb fordern wir: der Berliner Kulturhaushalt muss die Mittel der Freien Szene nicht nur erhalten sondern endlich entsprechend der Mindesthonorarstandards und Inflationsquote etc. aufstocken.

Denn es bleibt dabei: Ohne uns wird es still! 

Der Sprecher:innenkreis 
der Koalition der Freien Szene Berlin

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Koordiniert wird die Arbeit der Koalition der Freien Szene vom Sprecher*innenkreis mit folgenden Vertreter*innen: 

Ansprechpartner*innen: Daniel Brunet, Julia Schell 

Bildende Kunst: NN 
Darstellende Künste: Daniel Brunet Landesverband Freie Darstellende Künste (LAFT Berlin) 
Film: Natalie Gravenor Festiwelt e.V. – Netzwerk der Berliner Filmfestivals
Literatur: Odile Kennel, Sabrina Wägerle Netzwerk Freie Literaturszene Berlin (NFLB) 
Musik: Kerstin Wiehe DACH/Musik, initiative neue musik, ZMB – Zeitgenössisches Musiktheater Berlin e.V., Stefan Roigk inm – initiative neue musik berlin e.V. 
Projekträume und –initiativen: Isolde Nagel Netzwerk freier Berliner Projekträume und -initiativen 
Tanz: Jasmin Ihrac Zeitgenössicher Tanz Berlin (ZTB) | TanzRaumBerlin 
Verbandsunabhängige: Kerstin Quitsch, Julia Schell