16.01.2025 | Pressemitteilung des bbk berlin: Talking back 1 - #metoo in der bildenden Kunst?!

Diskussionsveranstaltung und Ankündigung erster Planungsschritte für eine dringend notwendige Vertrauensstelle für bildende Künstler*innen in 2025.
Am Montag, 13.01.2025, fand in einem großen Kreis von Interessierten eine solidarische Talkshow statt, zu der die Arbeitsgruppe CSA (Counter Sexism & Abuse) des bbk berlin in Zusammenarbeit mit dem bildungswerk des bbk berlin einlud. Gemeinsam mit Christina Clemm (Rechtsanwältin), Prof. Anke Doberauer (Künstlerin), Dr. Mathilde Provansal (Soziologin) und Sophia Süßmilch (Künstlerin) wurde der Themenkomplex des Sexismus und Machtmissbrauchs in der Kunstwelt von unterschiedlichen Seiten und Perspektiven beleuchtet.
Von den Dynamiken beruflicher Beziehungen, über die Natur der künstlerischen Arbeit bis hin zu rechtlichen Aspekten ging es in dieser ersten Veranstaltung am 13. Januar.
Die Diskussionsveranstaltung war der Auftakt einer Reihe und versteht sich als Teil eines Entwicklungsprozesses. Sie hat aufgezeigt, dass Sexismus und Machtmissbrauch weit verbreitet in der Kunstwelt ist, sich zwischen Professionalität und persönlichen Grenzen erstreckt und bereits an Kunsthochschulen beginnt. Dr. Mathilde Provansal berichtete: „In my research I wanted to understand why there is gender inequality in the arts. Something that really struck me was that there is a strong discordance between the percentage of women in art schools and on the art market. Women have been in the majority in art schools for the past forty years. I realised that to understand what was going on afterwards, you need to understand and look at what’s going on in the art schools.“
Es wurde reflektiert, weshalb die #metoo Bewegung – bis auf wenige Skandale – bisher keine nachhaltigen Auswirkungen auf den Kunstbetrieb hatte, an welchen strukturellen Veränderungen es mangelt und wieso die Verhältnisse in der Kunstwelt besonders komplex sind. „Durch uneindeutige oder gar keine Auftragsverhältnisse u.a. durch Galerist*innen, Kurator*innen, entsteht in der Karriere von bildenden Künstler*innen zu oft eine hohe Abhängigkeit und es kommt häufig zu physischem und psychischem Machtmissbrauch.“, sagte Wibke Behrens, Geschäftsführerin des bildungswerk des bbk berlin.
Gemeinsam mit den geladenen Referentinnen und dem Publikum wurde über Handlungsmöglichkeiten, Alternativen und Auswege gesprochen und darüber nachgedacht, wie Kompliz*innenschaft entstehen und gestärkt werden kann. Die Fachanwältin und Autorin Christina Clemm, die Menschen vertritt, die von geschlechtsspezifischer, sexualisierter, rassistischer, lgbtiq-feindlicher und rechtsextrem motivierter Gewalt betroffen sind, machte deutlich: „In der Kunst, in der freien Kunst vor allem, haben wir das riesige Problem, dass wir immense Machtstrukturen haben, dass wir immense Abhängigkeitsstrukturen haben, dass es immer noch darum geht, auch gefördert zu werden und wenn man sich dem entgegensetzt, hat man wirklich viel zu verlieren. Und das kann man sich nicht einfach so leisten.“
Die AG CSA des bbk berlin ist seit 2022 aktiv und setzt sich kritisch mit den Machtstrukturen auseinander, die sexuelle Gewalt und Ausgrenzung begünstigen und aufrechterhalten. Die Sprecherin des bbk berlin, Frauke Boggasch erläutert: „In den Treffen der AG CSA merken wir, wie wichtig es ist, offen und ohne Scham über diesen Themenkomplex zu sprechen. Dafür braucht es aber überhaupt die Möglichkeit, in den solidarischen Austausch zu kommen und den entsprechenden Raum dafür zu haben. Es geht auch um den Graubereich bzw. die Vorstufen von Sexismus und vor allem um patriarchale Strukturen. Dazu vernetzten wir uns auch, z.B. mit Engagement Arts aus Belgien, einer 2017 von Künstler*innen gegründeten Bewegung, die sexuelle Belästigung, Sexismus und Machtmissbrauch im (belgischen) Kunstbereich bekämpft.“ [https://engagementarts.be/en] Denn wie Prof. Anke Doberauer richtig anmerkte: „Je weniger man vernetzt ist, umso schutzloser ist man.“
In Zusammenarbeit mit dem bildungswerk des bbk berlin wollen wir gemeinsam Werkzeuge entwickeln, um das Schweigen zu brechen, Solidarität zu fördern und unsere Widerstandskraft gegen patriarchale Strukturen und Missbrauch zu stärken. Durch kollektives Lernen, Austausch und Unterstützung möchten wir sichere, kreative Räume für alle schaffen.
Sophia Süßmilch: „Es funktioniert nur über die Masse und indem eine Person, die in einer Machtposition ist, Personen, die nicht so sehr in der Macht stehen, erstmal uneingeschränkte Solidarität bietet und sie wissen lässt, dass man auf ihrer Seite steht.“
Hierfür erscheint es dem bbk berlin notwendig, eine Anlaufstelle für bildende Künstler*innen – angesiedelt in einer der Tochtergesellschaften des bbk berlin – einzurichten. Ziel ist, eine Vertrauensstelle zu etablieren, die nach dem Vorbild der bundesweiten Organisation Themis arbeitet, jedoch speziell bildende Künstler*innen, d.h. Selbstständige ohne Arbeitnehmer*innenvertrag, unterstützen wird. „Um dem etwas entgegenzusetzen, werden die bildenden Künstler*innen in Berlin zeitnah eine Vertrauensstelle – angedockt an den bbk berlin – bekommen. Diese wird in 2025 aufgebaut“, so Wibke Behrens. „Der politische Wille für unser Vorhaben wurde bereits erwirkt, so dass die ersten Planungsschritte erfolgen können.“
AG CSA des bbk berlin: Frauke Boggasch, Yvon Chabrowski, Lieselotte Illig, Pia Krajewski, Julie Legouez, Nadja Verena Marcin, Felicia Meynersen, Sabine Reinfeld, Laura Russy.
