16.10.2024 | Statement des bbk berlin gegen die historischen Kürzungsvorhaben im Berliner Kulturhaushalt 2024-26

Das Märchen von der Relevanz von Kunst und Kultur

Kultur zu kürzen ist keine Option! Berlin muss ein innovativer Produktionsstandort bleiben.

Aktuell haben der Finanzsenator und der regierende Bürgermeister eine zweimonatige Haushaltssperre für Berlin verhängt.

Allein im Bereich Kultur wird ein Einsparvolumen von 110 bis 150 Millionen Euro und mehr für 2025 und 2026 in den Raum gestellt. Obwohl Kunst und Kultur lediglich einen Anteil von 2,5 % am Gesamthaushalt halten, soll das kleinste Ressort unverhältnismäßig große Kürzungen erfahren. 

Statt die notwendige Infrastruktur und die Arbeitsbedingungen weiterzuentwickeln, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und die angegriffene Vielfalt als Hauptsäule der Demokratie und einer weltoffenen Hauptstadt zu fördern, wird in Zeiten der Sozialkrise eine starke Einschränkung und ein Abbau vorgeschlagen. 

Das aktuelle Vorgehen des Senats bedeutet:

  • Wegfall der Ateliers für Bildende Kunst um 30 Prozent
  • weniger Ausstellungen mit weniger Künstler*innen in den Kommunalen Galerien
  • Verlust von Projekträumen, somit Verlust von Ausstellungsmöglichkeiten
  • weniger Kunstvermittlungsprogramme
  • drastische Kürzung der Mittel für bezirklich kulturelle Projekte im Stadtraum
  • Reduzierung des Kunst-am-Bau-Budgets durch auferlegte Senkung der Schulbaukosten
  • Die Folge: deutlich niedrigere Einkommensmöglichkeiten für bildende Künstler:innen  

In der Konsequenz schrumpft die Berliner Künstlerschaft irreversibel. 

Diese Entwicklung bedroht die Stadt direkt und nachhaltig und verändert auch die positive Wahrnehmung Berlins als Kunst- und Kreativhauptstadt international. 

Erläuterung der direkten Folgen von aktuellen politischen Maßnahmen, geplanten für die Haushaltsjahren 2025 und 2026: 

Knapp 300 Ateliers sind durch die Haushaltssperre akut bedroht.

Weniger durch die Sparmaßnahmen selbst als durch die andauernde Sperrung von Vorgängen sind aktuell 295 Ateliers in ihrem Bestand bedroht. Dabei handelt es sich um beinahe ein Drittel aller Ateliers für Bildende Kunst im Arbeitsraumprogramm. Durch Blockadepolitik werden speziell die seit Jahrzehnten bewährten und für das Kulturbudget relativ kostengünstigen Häuser aus dem Programm gedrängt. Das spart der Stadt überhaupt kein Geld, gefährdet aber die in den Räumen arbeitenden Künstlerinnen und Künstlern in einem nicht zumutbaren Maß in ihrer beruflichen Existenz.

Wir fordern an dieser Stelle, die starre Vorgangssperre, die das Arbeitsraumprogramm derzeit handlungsunfähig macht, zu unterbrechen.

Der Fonds für Ausstellungshonorare wurde beschnitten.

Der Fonds, aus denen die Kommunalen Galerien Berlins die Ausstellungshonorare finanzieren, wurde bereits um 10 % gekürzt. Das bedeutet, dass weniger Ausstellungen mit weniger Künstler*innen im Jahr geplant werden können. Das ist ein kultureller Verlust für die Stadt und ein Verlust an Einkommen der Künstler*innen. Außerdem finden durch die pauschale Minderausgabe weniger Kunstvermittlungen statt und damit wird weniger Teilhabe realisiert.

Kunst im öffentlichen Raum und Kunst-am-Bau gekürzt

Die Mittel für bezirklich kulturelle Projekte im Stadtraum wurden um 100.000 Euro gekürzt, was einer Reduzierung des bisherigen Budgets von 16 % entspricht. Die angestrebten Einsparmaßnahmen im öffentlichen Schulbau führen direkt zur Reduzierung der Budgets für Kunst-am-Bau. Beide Kürzungen haben Einkommenseinbußen von Künstler*innen zur Folge. 

Berliner Künstlerschaft schrumpft um 5 %

Laut KSK ist die Zahl gemeldeter Künstler*innen im Bereich „Bildende Kunst 2024” erstmals um fast 5 % gegenüber 2023 gesunken. 2024 ist auch das erste Jahr, indem neben der rückläufigen Zahl bildender Künstler*innen ihr Einkommen stagniert. Was bei den jeher prekären Lebensverhältnissen im Angesicht steigender Lebenshaltungskosten und Gewerbemieten eine weitere Verarmung und Abwanderung dieser Klientel bedeutet.

Mit schrumpfender Zahl an Künstler*innen, schrumpft das Interesse an Berlin, schrumpft die Besucher*innenzahl und der mit ihnen verbundene Geldfluss, schrumpft der Kunsthandel und damit die Wirtschaft.

Zur politischen Vision muss gehören, Kunst und Kultur zu priorisieren. Die Stadt hat in den letzten zwei Jahrzehnten weltweit ihren positiven Ruf vor allem durch Kunst und Kultur erlangt. Neben dem Erhalt bestehender Infrastruktur darf die Weiterentwicklung von zukunftsgewandten sozioökonomischen Standards nicht aussetzen. Nur so kann Berlin für die Kunst- und Kulturproduktion attraktiv bleiben und ihre international führende Position als weltoffene und kulturstarke Stadt erhalten.

Wir fordern:

  • Eine sofortige Aussetzung der Haushaltssperre für das Arbeitsraumprogramm 
  • eine Rücknahme der Kürzungen im Ausstellungshonorarfonds der kommunalen Galerien
  • Für die Sicherung der Freien Szene Erhöhung der Einnahmen aus der City-Tax durch Anpassung der Abgaben 
  • Herausnahme des Kulturhaushalts aus dem Sparzwang der Berliner Landesregierung, da dieser im Haushalt Berlins das kleinste Resort mit der größten Außenwirkung ist.

Da die Kunstakteur*innen und Interessenvertretungen sehr viel für die Stadt Berlin und den Haushalt leisten, oft mit unbezahlten Einsätzen, um die Kunst- und Kulturproduktion attraktiv und weltoffen zu halten, erwarten wir dafür nicht nur eine Wertschätzung, sondern eine klare politische Unterstützung und eine deutlich verbesserte finanzielle Situation für den innovativen Produktionsstandort Berlin. 

Berlin benötigt: 

  • Planungssicherheit für die Finanzierung von Kunst und Kultur in Berlin und für den über Legislaturperioden hinausgehenden nationalen und internationalen Austausch. 
  • 45% mehr Ateliers und Arbeitsräume für die Zahl der professionellen Künstler*innen
  • Aufstockung des Budgets für die Kommunalen Galerien, um die künstlerische Produktion in Berlin mit adäquater Präsentation und Kunstvermittlung in den Bezirken zu begleiten.
  • Investition in die Projekträume, um weitere Ausstellungsmöglichkeiten zu schaffen
  • Mehr Kunstvermittlungsprogramme an allen Orten künstlerischer Präsentation, um gesellschaftliche Teilhabe zu stärken.
  • Erhöhung der Mittel für kulturelle Projekte im Stadtraum und Kunst-am-Bau

In der Zeit der Krisen, investieren Sie in die Kultur und Kunst! Wir bilden eine weltoffene Hauptstadt, stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Vielfalt als eine Hauptsäule der Demokratie. Unsere Expertise und Ressourcen stellen wir für den weiteren Ausbau von Infrastruktur und bessere Arbeitsbedingungen jederzeit zur Verfügung!
 

Vorstand des bbk berlin e.V.
Frauke Boggasch und Birgit Cauer, Sprecherinnen

 

Berliner Atelierstandorte im Atelieranmietprogramm:

Atelierstandorte Berlin - verloren - gefährdet - gesichert

Die Karte gibt einen kurzen Überblick über die aktuelle Situation der Berliner Atelierstandorte aus dem Atelieranmietprogramm. Wir wollen mit dieser Darstellung darauf aufmerksam machen, wie es um die Bestände im Programm steht. Im Statement halten wir fest, dass der Erhalt von ca. 300! Ateliers allein durch die aktuelle Haushaltssperre akut bedroht sind.

Legende | Die Standorte sind farblich folgendermaßen gekennzeichnet:

  • Schwarz: Standorte, die wir verlieren
  • Rot und Gelb: Standorte, deren Verträge auslaufen
  • Grün: Standorte, die langfristig gesichert sind und Standorte, die bis 2033 längerfristig gesichert sind

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Seit 1950 setzt sich der bbk berlin für die Interessen bildender Künstler*innen ein und kämpft gegen prekäre Arbeitsbedingungen, den Auf- und Ausbau von Infrastruktur für die künstlerische Produktion im kulturwerk des bbk berlin mit Werkstätten, dem Atelieranmietprogramm mit dem Atelierbüro, dem Büro für Kunst im öffentlichen Raum und dem Büro zur Künstler*innenberatung. Der Verband fördert kulturelle Bildung, vernetzt Berliner Akteurinnen und war an der Gründung mehrerer kunst- und kulturübergreifender Zusammenschlüsse beteiligt. Als Teil der Koalition der Freien Szene konnten bbk berlin Förderinstrumente wie Recherchestipendien und die Ausstellungshonorarregelung für nichtkommerzielle Kunstpräsentationen etablieren, was die Lebens- und Arbeitsbedingungen deutlich verbessert hat. 

Diese Errungenschaften, vor allem in den letzten Jahrzehnten, gilt es zu erhalten und weiter auszubauen! 

 

Die Aktionsplattform #BerlinIstKultur fasst alle Beiträge zum Aktionstag am 16. Oktober 2024 gegen die geplanten Kürzungen im Kulturbereich zusammen: 
https://www.berlinistkultur.de/

Berliner Museumsverband: Offener Brief zu Haushaltseinsparungen
https://www.berliner-museumsverband.de/2024/10/07/offener-brief-zu-haushaltseinsparungen/

#BerlinIstKultur 16.10.24