28.01.2022 | Pressemitteilung des bbk berlin: „Kunsthalle Berlin“ - ein Etikettenschwindel

Wer erinnert sich nicht noch an das zähe Ringen um eine Berliner Kunsthalle ab Mitte der Zehner Jahre? Es gab unterschiedliche Konzepte, konkrete Ansätze bis hin zu einer temporären Kunsthalle, nachdem es nicht gelang, den Bau einer ständigen Berliner Kunsthalle mit Hilfe privater Investoren zu realisieren. Die Politik hat bei all diesen Ideen und Aktivitäten aus der Mitte der Gesellschaft und vor allem aus der Berliner Künstler*innenschaft mit der Bewegung „Haben und Brauchen“ keine rühmliche Rolle gespielt. Aber: Dabei ging es immer um eine Präsentationsmöglichkeit für die Kunst aus Berlin.

Und nun? Wir stehen vor einer klammheimlichen Entscheidung zugunsten einer konzeptionell privat bestimmten und privat kuratierten „Kunsthalle Berlin“, die wer zu verantworten hat?

Mit der Selbsternennung zur „Kunsthalle Berlin“ suggeriert die „Stiftung für Kunst und Kultur e.V.“ aus Bonn, – die keine Stiftung ist, sondern ein Verein, der eigene Interessen verfolgt, – dass die Nutzung des historischen Tempelhofer Flughafenhangars durch diesen Verein öffentlich legitimiert sei. Das ist jedoch keineswegs der Fall.

Wie sollen die Künstler*innen der Stadt und ihre Interessenverbände, die sich u.a. in der Tempelhof AG seit Jahren konzeptionell um eine gemeinsame Nutzung des historischen Geländes bemühen, damit umgehen, dass dieser Betreiber unter dem Schwindeletikett „Berliner Kunsthalle“ zukünftig den zentralen Hangar bespielt. Mit Walter Smerling an der Spitze wurden beim Ausstellungsprojekt „Diversity United“ die in Berlin geltenden Mindeststandards für künstlerische Werkpräsentationen trotz einer satten Million öffentlicher Fördermittel vom Auswärtigen Amt nicht eingehalten. Und gegen alle gesellschaftlichen Verabredungen wurde mit einem zwölf-köpfigen Projektbeirat gearbeitet, der rein männlich-weiß ist sowie Sponsoren einbezogen, die im Skandal um die Paradise Papers auftauchen. Warum tragen Verantwortliche des Landes das mit?

  • Auf der Website der Tempelhof GmbH ist nachzulesen: „Die Standortentwicklung des Flughafengebäudes ist Privileg und Verpflichtung zugleich. In jeglicher Hinsicht ist das Thema zu bedeutend, um es auf unsere eigenen Impulse zu beschränken. Deshalb zählt die Tempelhof Projekt GmbH auf bürgerschaftliche Beteiligung, die mit dem Tag der offenen Tür am 18. November 2017 einen wichtigen Meilenstein erfuhr. Und auch die fachliche Begleitung ist uns wichtig: Um innovative Ideen weiterzuentwickeln, interdisziplinäre Ansätze zu vereinen und konzeptionelle Qualität auf internationalem Niveau sicherzustellen, unterstützt uns seit November 2017 ein fachübergreifender Beirat.“

Wir fragen uns: Wie kann die Tempelhof Projekt GmbH - eine Gesellschaft des Landes Berlin in Verantwortung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, mit einem Aufsichtsrat aus Senator*in, drei Staats-sekretär*innen und der Bezirksbürgermeisterin – einer rein privatwirtschaftlichen Interessen folgenden Nutzung zustimmen und ihr öffentliche Infrastruktur zur Verfügung stellen? Denn die großflächige Nutzung in Form der Öffentlich-Privaten Partnerschaft durch den Verein „Stiftung für Kunst und Kultur“ widerspricht eindeutig dem Versprechen zur Standortentwicklung durch die Tempelhof Projekt GmbH und einem Nutzungskonzept, das dem Wohle der Kulturschaffenden der Stadt und ihrem Publikum dient.

Wo ist die Stimme des Beirats? Wo bleibt die Kommunikation mit der Zivilgesellschaft?

Nach allen Erfahrungen: Spätestens in einem Jahr wird die „Berliner Kunsthalle“ für das nächste größere Ausstellungsprojekt das Land oder den Bund um Geld bitten und Mittel mobilisieren – nicht für die Künstler*innen der Stadt sondern auf Kosten der strukturellen Künstlerförderung in Berlin.

 

Zoë Claire Miller und Heidi Sill
Sprecherinnen des bbk berlin

* Wie wir gerade erfahren haben,erhält der Verein "Stiftung Kunst und Kultur" aus Bonn für die Nutzung als „Berliner Kunsthalle“ den Hangar mietfrei von der Stadt und trägt dafür die Betriebskosten. Das nennt man wohl „einen Deal“.

Presse-Echo:

Widerstand gegen Kunsthalle Berlin - Bruchlandung? | Elke Buhr, 28.01.2022
https://www.monopol-magazin.de/kunsthalle-berlin-kritik-stiftung-kunst-kultur-tempelhof-bruchlandung

dpa-Newskanal: https://www.sueddeutsche.de/kultur/ausstellungen-berlin-ausstellung-bernar-venet-in-berlin-streit-um-kunsthalle-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-220128-99-888767

Er macht aus dem Berliner Flughafen Tempelhof eine riesige Kunsthalle und leitet sie auch gleich. Alle Mächtigen lieben seine Ausstellungen: Wer ist eigentlich Walter Smerling? |  Niklas Maak, 23.01.2022  (im ABO)
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst-und-architektur/stiftung-fuer-kunst-und-kultur-wer-ist-walter-smerling-17743829.html