30.10.2020 | Pressemitteilung des bbk berlin: Mehr Verlierer als Gewinner - Zur Berliner Stipendienlotterie für Künstler*innen

Statement des bbk berlin

Das Land Berlin hat im Zeichen der Corona-Pandemie das größte Einzel-Stipendienprogramm für alle Kunstsparten aufgelegt, das es in der Berliner Kulturpolitik je gegeben hat: 18 Millionen Euro für knapp 2.000 Stipendien. Das ist zunächst eine große politische Leistung.

Nun ist das Ergebnis des Losverfahrens öffentlich und zeigt: Die konzeptionellen und organisatorischen Defizite dieses Programms stellen seine Wirksamkeit in erheblichem Umfang infrage.

Denn das Losverfahren schüttet Geld unterschiedslos aus. Ob eine wirtschaftliche Notsituation vorliegt, die die berufliche Existenz als Künstler*in infrage stellt oder nicht, spielt bei dieser Stipendienvergabe keine Rolle. Vergeblich hatten der bbk berlin und auch die Koalition der Freien Szene auf Teilnahmebedingungen und Auswahlverfahren gedrungen, die eine Konzentration der Mittel auf den dringendsten Bedarf gewährleistet hätten, siehe unsere Pressemitteilung vom 28. August 2020. So finden sich tausende Künstler*innen auf der Verliererseite, die das Stipendium zum Überleben dringend gebraucht hätten.

Ein Stipendienprogramm ohne Konzentration auf den dringendsten Bedarf ist von Politik und Verwaltung falsch konzipiert.

Und so wären zumindest statt der Lotterie Auswahlentscheidungen durch qualifizierte Beiräte nötig gewesen, die die Stipendienvergabe nach Kriterien künstlerischer, aber auch sozialer Dringlichkeit hätten vornehmen sollen – und auch können. Der bbk berlin hatte ebenso vergeblich vorgeschlagen, den Betrag der Einzelfördersumme zu verringern, damit mehr Künstler*innen partizipieren können. Zusätzlichen Ärger und Enttäuschung haben die gleichzeitig veröffentlichten Förderentscheidungen des Bundes über die Stiftung Kunstfonds Bonn und des Berliner Senats gebracht, da nicht wenige Künstler*innen von beiden Stellen 9.000 Euro zugesprochen bekamen.

Die Grenzerfahrung der Covid19-Pandemie zeigt: Gerade weil in sehr kurzer Zeit ganz erhebliche zusätzliche Mittel mobilisiert werden, um ihre Folgen abzumildern, kommt es darauf an, sie zielgenau – nämlich dort, wo sie unbedingt nötig sind! – einzusetzen und nicht darauf, den beteiligten Verwaltungen möglichst wenig Arbeit zu machen.

Bei aller Kritik an der Berliner Politik – wirklich versagt hat der Bund. Die Künstler*innen, die weder Soforthilfen noch Sonderstipendien erhalten haben,  dürfen nicht weiter auf Hartz IV verwiesen werden. Wir fordern vom Bund die Durchsetzung eines Unternehmer*lohns für alle Freiberufler*innen und Soloselbständigen für ihre coronabedingten Ausfälle. Wir brauchen keine Placebo-Programme des Ministeriums für Kultur und Medien, die gegen den Notstand aller Künstler*innen kaum etwas ausrichten können. Dagegen tut Berlin und seine Landeskulturpolitik viel mehr.

Aus der Krise lernen: Wir brauchen künftig Förderstrukturen für Kunst und Kultur, die strukturell wirken und nicht nur einzelnen Künstler*innen nach überkommenen Kriterien der Eliteförderung und Kunstmarktpräsenz zugutekommen, und die die Breite und die Vielfalt der künstlerischen Positionen sichern und vergrößern.

Damit werden Förderstrukturen, die nicht das einzelne Event, sondern die Gewährleistung kontinuierlicher künstlerischer Arbeit in den Mittelpunkt rücken und die mithelfen, die künstlerische Arbeit und ihre Freiheit von der Macht der großen Institutionen und des Marktes zu emanzipieren, geschaffen.

Der bbk berlin hat dazu für den kommenden Landeskulturhaushalt 2021/22 Vorschläge gemacht:

PM des bbk berlin: Künstlerische Arbeit in Berlin - krisenfest und sichtbar machen

 

berufsverband bildender künstler*innen berlin
Zoë Claire Miller und Heidi Sill
Sprecherinnen bbk berlin