08.01.2024 | Zur Einführung der neuen Antidiskriminierungsklausel des Senats Berlin

Zur Einführung der neuen Antidiskriminierungsklausel des Senats Berlin –

Ein Appell

Kunst sowie Kulturinstitutionen sind wesentliche Diskursräume der Demokratie und damit Orte zur Vorbeugung und Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus. Zahlreiche Kulturinstitutionen, Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen haben sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gegen jede Form von Diskriminierung und Rassismus positioniert, haben durch künstlerische Arbeitsweisen und Projekte Brücken gebaut und Räume für Verhandlung und Meinungsbildung geschaffen. Mit der Unterzeichnung der Berliner Erklärung der Vielen haben sie sich klar zu einer entsprechenden Verantwortung im Kampf gegen jede Form von Diskriminierung bekannt. Auch liegen der Arbeit der Künstler*innen und Kulturakteur*innen in Berlin ohnehin das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und das Berliner Landes-Antidiskriminierungsgesetz (LADG) zu Grunde.

In diesem Sinne begrüßen wir Maßnahmen zur Bekämpfung von Antisemitismus sowie Maßnahmen gegen jede Form von Diskriminierung und Rassismus. Nach ersten juristischen Einschätzungen verfehlt die aktuelle Form der neuen Antidiskriminierungsklausel (ADK) des Berliner Senats jedoch die angestrebten Ziele. Sie kollidiert mit dem Grundgesetz und bringt eine mannigfaltige Rechtsunsicherheit, zweifelhafte Praktikabilität und die Gefahr der Diskriminierung mit sich. Dies resultiert vor allem aus der engen Verbindung der Klausel mit der ausschließlich für Monitoring-Zwecke formulierten IHRA-Definition von Antisemitismus. Die Implementierung der Klausel wirft viele Fragen auf, welche rechtssicher beantwortet sein müssen, da sie ggf. erhebliche Rechtsfolgen sowohl für Institutionen als auch Künstler*innen nach sich ziehen kann - auch wenn sie von Seiten des Senats als deklaratorisch bezeichnet wird.

Wie wird die Einhaltung der Klausel überprüft und sichergestellt? Welcher Stelle / Funktion wird diese Aufgabe zuteilwerden? Unter welchen Gesichtspunkten würde eine Prüfung im Kulturbereich bei erheblich konkurrierenden Grundrechten (z.B. Kunstfreiheit, Meinungsfreiheit, die Freiheit, eine Meinung nicht zu haben etc.) erfolgen?

Wenn ein Schutz entstehen soll, muss transparent sein, in genau welchem Fall die Klausel greift, wer dies kontrolliert und entsprechende Konsequenzen zieht. Dies unbeantwortet und vage zu lassen, könnte ein Kontrollsystem etablieren, das missbraucht werden kann.

Wir, der Rat für die Künste, die Koalition der Freien Szene, der bbk berlin, der LAFT Berlin, inm berlin sowie festiwelt – Netzwerk Berliner Filmfestivals, rufen daher sowohl den Berliner Senat, insbesondere Kultursenator Joe Chialo, als auch die kulturpolitischen Sprecher*innen aller Parteien dazu auf, diese Antidiskriminierungsstrategie im gemeinsamen Dialog zu überarbeiten. Wir glauben, dass gerade Kunst Räume öffnen kann, um vor dem Hintergrund unserer Verfassung eine Auseinandersetzung über Diskriminierung in unserem Land zu ermöglichen. Wir fordern daher einen entsprechenden Diskurs, um gemeinsam mit Expert*innen und Verbänden in aller Offenheit zielführendere Lösungen gegen Antisemitismus und weitere Diskriminierungsformen zu entwickeln und stehen für diesen gerne zur Verfügung.

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